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Die Bundeswehr auf dem Weg in den nächsten Krieg 

von Tobias Pflüger

Es tut sich derzeit Grundlegendes im Bereich der Veränderung der Bundeswehr, doch die klassischen Medien berichten es nicht.

 
Am 29.Januar legte Rudolf Scharping sein Ressortkonzept "Die Bundeswehr der Zukunft" vor. Die gesamte Republik diskutierte daraufhin, welche Bundeswehr- Standorte wo geschlossen werden sollen. Das ging aber ziemlich am Thema vorbei. Thema des Ressortkonzeptes war "eine Veränderung der Bundeswehr von Grund auf". In der Einleitung des Ressortkonzeptes steht schwarz auf weiß, um was es geht: "Wesentliche Leitgedanken dieser Umstrukturierung sind die Bündelung von Aufgaben, der streikräftegemeinsame Ansatz und die Konzentration der Streitkräfte auf den Einsatz". Und weiter: "Die Bundeswehr wird kleiner, im Hinblick auf die gewandelten Anforderun-gen jedoch moderner und leistungsfähiger." Das ist das, was wir von der Informationsstelle Militarisierung (IMI) als qualitative Aufrüstung bezeichnen. Fast alle Tageszeitungen mit Ausnahme von "Die Welt", "FAZ" (mit einigen Tagen Verzögerung), „"Neues Deutsch-land" und "junge Welt" haben bei der Vorlage des Ressortkonzeptes und ebenso bei der schnellen verbindlichen Verabschiedung nicht einmal drei Wochen später am 16. Februar davon gesprochen, die Standortschließungen seien zwangsläufig und Ergebnis von "Sparmaßnahmen", zum Teil wurde gar von Standortschließungen aufgrund von "Abrüstung" geschrieben. Es geht bei diesem Ressortkonzept und damit bei den Standortschließungen um die Effektivierung der Bundeswehr und den nächsten Schritt hin zur Interventionsarmee. Hauptveränderung mit dem Ressortkonzept ist, daß nun 150.000 "Einsatzkräfte" für Militäraktionen, Kampfaktionen und Krieg außerhalb Deutschlands und der NATO zur Verfügung stehen werden. Das ist fast eine Verdreifachung der bisherigen "Krisenreaktionskräfte".

Der Stellenwert der Standortschließungen

Die Aufgabe der Bundeswehr ist es nicht, in der Fläche Menschen wirtschaftlich zu versorgen, die jetzige Aufgabe der Bundeswehr ist es, zukünftig fähig zu sein, weitere Kriege zu führen oder daran teilzunehmen. Es ist falsch nur über Standortschließungen zu diskutieren, ohne zu fragen, warum denn Standorte geschlossen werden. Sie werden geschlossen, weil sie nicht notwendig sind für die neue Interventionsarmee Bundeswehr.

Wer sich nun auf politischer Seite, bei der Bundeswehr und in der Bevölkerung gegen Standortschließungen ausspricht, müßte sich eigentlich für den Erhalt der alten Bundeswehr, die offiziell zur Landesverteidigung da war, einsetzen und mit uns gegen die neue Bundeswehr als Interventionsarmee politisch kämpfen. Über die letzten Jahre haben wir allerdings genau das schmerzlich vermißt, daß von Soldaten und aus dem politischen Raum Widerstand gegen die Herausbildung der neuen kriegsfähigen Interventions-Bundeswehr gekommen wäre. 


Scharpings Kämpfer und nun auch Kämpferinnen bleiben zukünftig an 463 Standorten kaserniert (nur 38 werden geschlossen, zusätzlich 92 Kleinststandorte bis 50 Dienstposten) Für sie gilt:
"Flächendeckende Stationierung ist die die wesentliche Voraussetzung für die Nachwuchsgewinnung."
Insofern gilt für uns: Je mehr Kasernen geschlossen werden, desto besser. Aber: Es müssen die richtigen sein. Fangen wir mit dem Kommando Spezialkräfte in Calw an und machen dann alle Standorte der "Einsatzkräfte" dicht. Das wäre eine Standortdebatte die Sinn macht, sagt mein IMI-Kollege Arno Neuber zum Ressortkonzept.
Es ist dringend vonnöten, daß in den Regionen, in denen Bundeswehrstandorte geschlossen werden, statt sinnlos gegen Schließungen zu demonstrieren, nun Standort-Konversionskonzepte vorgelegt werden. Gute Erfahrungen gibt es damit beispielsweise in Brandenburg. Der dortige Konversionsbeauftragte Roland Vogt und sein Team haben schon so manche Förderung für die Konversion (die Umwandlung bisher militärisch in zivil genutzte Liegenschaften) zum Beispiel bei der EU loseisen können. Die Bundeswehr wird auch in Zukunft noch kleiner und immer mehr Richtung Kampf- und Kriegseinsätze gebracht werden. Wer also auf Arbeitsplätze bei der Bundeswehr oder Arbeitsplätze im Umfeld der Bundeswehr setzt, setzt nicht auf "sichere Jobs", sondern auf "todsichere Jobs".

Die kriegsführungsfähige Bundeswehr
Neu im vorliegenden Ressortkonzept ist die Einführung mehrerer spezieller (Kampf-) Divisionen:
"Das Heer verfügt in Zukunft über fünf mechanisierte Divisionen, eine Division für Luftbewegliche Operationen (DLO) sowie eine Division für Spezielle Operationen (DSO) ... Der DSO unterstehen zwei Luftlandebrigaden und das Kommando Spezialkräfte."
Dies ist die Fortführung des Aufbaus von speziellen Bundeswehr-Kampfeinheiten für Kriegseinsätze. Das Kommando Spezialkräfte in Calw bleibt die Speerspitze der neuen Bundeswehr.

Die Vorgaben der bisherigen Strategiepapiere werden nun Stück für Stück umgesetzt. Wer jetzt noch an eine Bundeswehr zur Landesverteidigung glaubt, befindet sich im Märchenland. Im Bericht der Weizsäcker-Kommission hieß es: 
"Die Aufgaben der Bundeswehr haben sich völlig geändert. Die Bundeswehr wird vornehmlich außerhalb Deutschlands eingesetzt werden, entweder zur kollektiven Verteidigung eines Bündnispartners, oder was wahrscheinlicher ist, zu regional begrenzten Einsätzen der Krisenvorsorge und Krisenbewältigung."
Und weiter:
"Die Kommission empfiehlt Fähigkeiten, Strukturen und Umfänge der Bundeswehr primär aus der Eignung zu Kriseneinsätzen abzuleiten. Die Orientierung auf Kriseneinsätze erfordert eine grundsätzlich neue Bundeswehr."


Am deutlichsten wird die Neuausrichtung der Bundeswehr im Papier der Militärs selbst. Der ehemalige Bundeswehr-Generalinspekteur von Kirchbach hat es auf den Punkt gebracht: 
"Streitkräfte werden sich in Zukunft auf ihre militärischen Kernfunktionen konzentrieren."
Was sind militärische Kernfunktionen? Was kann nur Militär? Richtig: kämpfen, Krieg führen und töten.
Die Bundeswehrführung und die rot-grüne Bundesregierung setzen mit dieser Entwicklung der Bundeswehr zur Interventionsarmee ihren Weg der Militarisierung fort: Sie tun dies, obwohl die neue Bundeswehr grundgesetzwidrig ist: Im Artikel 87a des Grundgesetzes heißt es:
"Der Bund stellt Streitkräfte zur Verteidigung auf."
Im Artikel 26.1. wird das "Verbot eines Angriffskrieges" festgeschrieben.
Die Umwandlung der Bundeswehr zur Interventionsarmee führt zudem wieder Krieg als Mittel der Politik ein. Der NATO-Krieg gegen Jugoslawien war ein Grundmuster zukünftiger Kriege der NATO und damit auch der Bundeswehr. Ein Hinweis auf den Probecharakter des NATO-Krieges ist folgender Satz in der NATO-Strategie: 
"In diesem Zusammenhang erinnert das Bündnis an seine späteren Beschlüsse in bezug auf Krisenreaktionseinsätze auf dem Balkan."
Und das im verbindlichen Strategiepapier für die nächsten fünf bis zehn Jahre!
Die Bundeswehr auf dem Weg in den nächsten Krieg. Und wo könnte der stattfinden? Mazedonien und Montenegro sind nach wie vor Kandidatenländer für NATO-Interventionen. Volker Rühe, Scharpings Vorgänger, hat sich derweil in einem Grundsatzpapier Gedanken gemacht, wie Deutschland beim Kampf um den Zugang zum Öl des Kaspischen Meeres mitmischen könnte. In der "Frankfurter Rundschau" schwadroniert er über deutsche Interessenwahrnehmung im Kaukasus. Ein zukünftiges Kriegsgebiet mit Beteiligung der Bundeswehr? Wollen wir es nicht hoffen.
 
Tobias Pflüger
Tobias Pflüger ist Politikwissenschaftler und Vorstand der Informationsstelle Militarisierung (IMI)e.V., Kontaktadresse: Hechingerstrasse 203 72072 Tübingen Telefon: 07071-49154 Fax:07071-49159
E-Mail: IMI@imi-online.de URL: www.imi-online.de
Artikel der Bike for Peace-Zeitung Münster zum Ostermarsch 2001
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